Virgil Abloh war einer der einflussreichsten Designer – und das, obwohl er nur zehn Jahre in der Modebranche tätig war. Was wir vom Erfolg des Off-White-Gründers und Louis-Vuitton-Chefdesigner lernen können.

In den vergangenen 15 Jahren arbeitete sich Virgil Abloh, der ursprünglich aus Chicago stammt und Architektur studierte, zur einflussreichsten Person der gegenwärtigen Popkultur hoch. Umso schockierender war die Nachricht über seinen Tod am 28. November, Abloh verlor einen zwei Jahre langen Kampf gegen den Krebs, über den die Öffentlichkeit nichts wusste. Der Designer gab wenig über sein Privatleben preis, und so verhielt er sich offenbar auch bei seiner Erkrankung.

Dass Abloh als Vorreiter und Figur der Innovation gilt, hat unter anderem damit zu tun, dass er früh unkonventionelle Wege ging. Ab 2004 arbeitete er für Kanye West und wurde wenige Jahre später sein Creative Director – eine Rolle, die es davor in der Musikszene für individuelle Künstler so nicht gab. Mit West schnupperte Abloh in die Pariser Modebranche und gründete schließlich 2012 sein eigenes Label, Off-White. Davor experimentierte er mit dem Label “Pyrex Vision”. Dass er dafür alte Lagerbestände von anderen Marken aufkaufte, einen Schriftzug auf die Kleidungsstücke druckte und dann teuer weiterverkaufte, sorgte für Kritik – und für Aufmerksamkeit.

All das machte Abloh bereits früh unter Einbezug eines heute sehr wichtigen Social-Media-Kanals, Instagram. Über die Plattform sagte er vor fünf Jahren in einem Interview:

Instagram is innovative because it’s an even platform for newcomers and seasoned professionals to live. It’s great because before the platform those levels of hierarchy were nearly impossible to close the gap.

Virgil Abloh
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Virgil Abloh wurde vor allem deswegen gefeiert, weil er Streetwear und Street Culture die verdiente Bedeutung schenkte. Er brachte mit Off-White und später Kollaborationen mit Marken wie Nike Trends von der Straße in den Mainstream und schaffte dies weitgehend, ohne von der Szene als Sellout abgestempelt zu werden. Der Grund dafür? Er suchte immer offen nach neuen Ideen und förderte junge Talente.

My approach is to make the creative industry inclusive, not exclusive.

Virgil Abloh

War die High-Fashion-Inudstrie früher sehr exklusiv und unnahbar, so versuchte Abloh beide Welten zu verbinden. Dieser Ansatz schaffte ein Umdenken bei Traditionsmarken, und so engagierte Louis Vuitton den Designer 2018 als Artistic Director.

Sein eigenes Label bezeichnete er als Open-Source:

It means that what I do has the instructions embedded into it, so that kids can look at the garment and think, “Hey, I can do that too.” And that’s true of anything from a screen-printed Ralph Lauren shirt to showing 35 looks in the UNESCO building in Paris with leaves falling. I think the best analogy for this is skateboarding. Some kid can do a trick that no one has ever seen before, but the second he films it and puts it on YouTube, ten other kids around the world can do the exact same thing. That’s open source, and I embrace that.

Virgil Abloh

Auf seiner offiziellen Seite sammelte Virgil Abloh sogar Ressourcen für alle, die ihr eigenes Fashion Label gründen wollen.

Seine Verbindungen zur Musikindustrie und Popkultur nutzte er, um Barrieren aufzubrechen und veraltete Branchen von Elfenbeintürmen zu offenen Plattformen zu transformieren. Und das machte Virgil Abloh schließlich so erfolgreich und einzigartig, dass er einer einflussreichsten Künstler der Gegenwart wurde.

Liest man in diesen Tagen die Anekdoten von Freunden des verstorbenen Off-White-Gründers, so zieht sich ein roter Faden durch alle durch: Unterstützung, Förderung und Neugierde. Virgil Abloh setzte teils absurde Ideen um und dachte nicht nur über Grenzen hinaus, sondern schaffte ein Zusammenführen von unterschiedlichen Kulturen und Branchen. Der Open-Source-Ansatz kommt eigentlich aus dem Software-Bereich, aber Virgil Abloh hat gezeigt, dass Open-Source für eine Lebenseinstellung steht, die sogar gesellschaftliche Veränderungen schaffen kann.

“This is Virgil Abloh’s world, we are just living in it”, betitelte High Snobiety seinen Nachruf. Und in dieser Welt kann dank Virgil Ablohs Werken noch viel mehr Gutes entstehen.

Elisabeth Oberndorfer